Sonntag, 3. Februar 2013

Die Gefahr des Totalitarismus

Ein gebildeter Mensch hat ein gewisses Thema, zumindest in der eigenen Schulkarriere, übertriebenermaßen mindestens tausend Mal durchgekaut: die Existenz einer totalitären Staatsform, zum einen am Beispiel des Faschismus in Form des Nationalsozialismus im Dritten Reich, zum anderen in Form des Realsozialismus anhand des Stalinismus in der Sowjetunion samt deren Satellitenstaaten. Und natürlich wird einem aufgrund historischer Erfahrung eingetrichtert, dass solche Systeme böse waren, dass deren Führer zu verabscheuen sind und jegliche Handlungen in den damaligen Staaten schlecht waren. Und ebenfalls lernt man, dass es den Totalitarismus nicht mehr gibt. ... schön zu wissen!

Aber was ist denn Totalitarismus? Laut dem Politiklexikon von Klaus Schubert und Martina Klein ist der Totalitarismus vereinfacht „das krasse Gegenteil des modernen freiheitlichen Verfassungsstaates und des Prinzips einer offenen, pluralen Gesellschaft“. Ein demokratischer Rechtsstaat lässt also nicht die Existenz des Totalitarismus zu, so die Logik jener AutorInnen.
Doch was, wenn unser System totalitär wird? Eine totalitäre Demokratie ist nicht unlogisch oder paradox, vielleicht ist sie sogar realer, als es viele für möglich halten. Bei dem Zusammenhang < Totalitarismus – Faschismus – Nazizeit > denken viele an KZs, Todesstrafen ohne Verhandlungen und Massenvernichtung jener, die anders denken oder einfach nicht ins Raster der Ideologie passen. Doch der Faschismus als Beispiel ist nicht die Definition des Totalitarismus. Entscheidende Merkmale sind, dass eine wie auch immer aufgebaute Führung potenziell die Möglichkeit besitzt, in alle Bereiche des Lebens einzugreifen, alle Einflussmöglichkeiten bei sich zu konzentrieren und unbeschränkt Sanktionen zu verhängen. 
Wenn in Deutschland jemand mit den Richtlinien des Systems nicht übereinstimmt und dies in verfassungsfeindlicher Form äußert, muss er mit Sanktionen rechnen. Die handelnde Person wird für eine andere Weltanschauung bestraft. Man könnte sagen, dass rein nach der Devise „Die Freiheit des Einzelindividuums gefährdet die Freiheit der Masse“ die Mehrheit vor der Minderheit bewahrt wird.
Bei der totalitären Demokratie ist also kein Terrorregime an der Macht, welches ohne Skrupel alle Kritiker aus dem Weg räumt. Man könnte sagen, dass diese Form humaner und eben, wie der Name auch aussagt, demokratischer ist, doch nichtsdestotrotz bleibt es eine Unterform des Totalitarismus, ein System, welches den Geist des Menschen unterwirft und das einzelne, denkende Individuum mit der Masse verschmelzen lässt.
Doch einfacher und zweckdienlicher, als eine vollkommene totalitäre Demokratie zu konstruieren, ist es, jene freiheitliche umzuwandeln in eine Diktatur, was es glücklicherweise den Demokraten um einiges leichter macht, das rechtsstaatliche System zu verteidigen und beizubehalten.
Die Frage bei der Abwehr eines wie auch immer gearteten, vielleicht eben auch demokratischen Totalitarismus ist, ob man sich auf die antike Vorstellung der Demokratie zurückbesinnt, oder ob man sich neue Mittel und Wege sucht, um eine Demokratie zu errichten, die legitimiert, sicher und andauernd ist.

Es ist möglich, dass eine Form des Totalitarismus wiederaufersteht, trotz unserer Bildung über die Unübertroffenheit früherer menschlicher Ignoranz. Der Mensch wandelt sich langsamer, als es der Wunsch vieler ist, und doch, auch nach Millennien, wird die Menschheit nicht perfekt, sondern immer noch anfällig sein.
Doch mögen wir auch nicht dem Ideal entsprechen, so darf es uns doch nicht daran hindern, der Versuchung zu widerstehen, bevormundet zu werden. 
 
Mensch, gebrauche deinen Geist!
Sapere aude!