Sonntag, 23. März 2014

Die Krim-Krise oder: Das Leiden eines pseudo-demokratischen Diktators

Kaum entsteht irgendwo auf diesem Planeten ein neuer Konflikt, schon freuen sich die Menschen in den Kommentier-Zeilen diverser Medien in ihrer Action-Sucht über einen potentiellen Dritten Weltkrieg. Schön doof. Denn der wird nicht ausbrechen. 
Was passiert zur Zeit? Für die Unaufgeklärten unter uns: Die Ukraine - süd-östlich von Polen, nördlich des Schwarzen Meeres und süd-westlich von Russland - ist dezent ausgedrückt etwas gespalten. Zum einen kulturell und sprachlich (die Mehrheit im westlichen Teil spricht Ukrainisch, im Osten jedoch aufgrund der mehrheitlich russischen Wurzeln eben Russisch), zum anderen aber auch politisch: Die Menschen der West-Ukraine sehnen eine Annäherung an die EU herbei, jene im Osten würden aber gerne enger an Moskau rutschen. Unter der Regierung des Ministerpräsidenten Viktor Janukowitsch, der sich in diesem Amt vor allem bereicherte und Geld von beiden Seiten gerne annahm, war weder an das eine noch an das andere ernsthaft zu denken. Ebenso konnte man auch kaum von einer korruptionslosen und freiheitlichen Demokratie in der Ukraine reden. 
Passend zum Zeitgeist unterdrückter Länder gingen die Menschen, vor allem in der Hauptstadt Kiew (im Westen des Landes), auf die Barrikaden. Der zentrale Platz in Kiew, der Maidan, wurde zum Zentrum eines erneuten Umsturzes, ähnlich wie 2004.

spoilt.exile, CC BY-SA 2.0

Das Problem sind zwei Dinge: Zum einen besteht, wie genannt, ein tiefer Graben zwischen dem Osten und dem Westen des Landes (sogar ganz ohne Mauer). Zum anderen war und und ist auf der Krim-Halbinsel (im Ost-Teil des Landes) die russische Schwarzmeer-Flotte stationiert. Die entsprechenden Häfen sind durch Russland für Millionen-Beträge gepachtet worden und Ukraine erhält (oder vielmehr: erhielt) einen Gaspreis-Rabatt von 30% durch den russischen Staatskonzern Gazprom.
In den Augen des Kremls war die ehemalige Regierung unter Janukowitsch Russland-freundlich genug und das System galt als stabil. Nun wurde jener aber abgesetzt, zwar mit einer parlamentarischen Mehrheit, jedoch nicht mit den verfassungsgemäßen 2/3-Mehrheit. Somit gilt bei pro-russischen Medien etc die Ansicht, die Revolution sei nur ein Putsch und die neue provisorische Regierung sei illegitim.
Tatsächlich ist jene neue Übergangsregierung auch wirklich fragwürdig: Geleitet von exzessivem Nationalismus ist die Swoboda-Partei als schon faschistisch zu nennende Organisation ein Bestandteil der neuen Macht-Lücke geworden. Aber der Westen muss zwangsläufig mit ihnen verhandeln, solange es keine neu gewählte Regierung gibt.
Für Russland hingegen ist diese "revolutionäre" Regierung nicht hinnehmbar, weswegen man Janukowitsch auch das eigene Territorium als Asyl-Boden gewährte, als dieser aus seiner Protz-Villa fliehen musste. 
Und die großen Verhandlungsmächte sind natürlich mal wieder die USA, Russland und die Europäische Union. Irgendwer muss ja an die Tische. Schade nur, dass man sich gegenseitig lieber Dinge vorwirft, Hitler-Vergleiche zieht (egal, ob die begründet sind oder nicht) und Truppen aufmarschieren lässt. 
Ein zwischenzeitlicher Hochpunkt der Krise ist bislang das Referendum der Krim über einen Anschluss an Russland gewesen. Durchgeführt unter russischer Truppen-Präsenz, völkerrechtswidrig entgegen der ukrainischen Regierung und bei offensichtlicher Wahlbeteiligung von teilweise bis zu 127%. Da möge mensch sich denken was mensch mag. Völkerrechtskonformes Handeln sieht jedenfalls anders aus. Und jene, die meinen, der Westen habe im Kosovo doch auch völkerrechtswidrig gehandelt, setzen dem Ganzen noch den Hut auf, denn eine schlechte Tat ist niemals durch eine vorangegangene schlechte Tat zu legitimieren. Ansonsten könnte man ja auch einen zweiten Holocaust machen, nur weil ein erster stattfand. Diplomatie sollte auf Logik beruhen. Zu schade nur, dass neuerdings wieder auf Diplomatie an sich verzichtet wird.
Die Krim ist jetzt in russischer Hand, die dort stationierten ukrainischen Soldaten mussten sich zurückziehen, der Rubel wird eingeführt und die Zufahrtswege sind blockiert, sowohl auf dem Land also über das Meer, vor allem ins Asowsche Meer.
Zur Zeit befinden sich schon zehntausende Soldaten sowohl auf der Krim-Halbinsel als auch direkt hinter der Grenze zur Ukraine auf russischer Seite. Und die Ukrainer*innen haben Angst; Angst davor, dass Russland auch den Rest der Ukraine oder zumindest der Ost-Ukraine will und ihn sich auch mit Waffengewalt nimmt.

Sasha Maksymenko, CC BY 2.0

Es stehen sich also mal wieder Soldaten und Machtinteressen gegenüber. Und man fragt sich, was eigentlich Putin will. Soll Russland unter seiner Führung zu alter Größe? Muss er mit seinem Macho-Gehabe und dominanten Verhalten irgendetwas kompensieren?
Der arme Putin ist 3 cm kleiner als Napoléon. Vielleicht ist an letzterem also etwas dran. Aber mal Spaß beiseite: Seit Jahren drängt "der Westen" Russland an die Wand. Mit der deutschen Wiedervereinigung wurde zugesichert, dass sich die NATO nicht weiter nach Osten ausdehnt. Das Gegenteil geschah, auch wenn man auf Druck von Merkel von der Ukraine absah. Die EU dehnte sich ebenfalls weiter aus, gerade ist sogar mitten in der Krise ein Kooperationsabkommen zwischen der EU und der Ukraine unterzeichnet worden. Und die US-Amerikaner stationieren gerne ebenfalls überall und jederzeit Raketen, Soldaten und Kampf-Jets, angeblich jedoch nicht gegen Russland gerichtet. Ach... und wenn Russland Truppen in Mexiko stationieren würde, und sagt, das sei nicht gegen die USA gerichtet, wer würde das glauben? In der Politik obsiegt mal wieder die Scheinheiligkeit, und zwar auf allen Seiten.
Die Krim war nicht immer russisch, die schießenden Soldaten bei ukrainischen Posten waren schon zu Beginn russische Militärs und in der neuen ukrainischen Regierung sind nachweislich Faschisten.
Im Moment lauern auf beiden Seiten die Soldaten auf einen Befehl, der hoffentlich nie kommt. Und wenn doch, dann muss Europa handeln. Aber nicht militärisch, und das wissen die Eliten auch. Denn die globalisierte Welt verhindert die positive Bilanz von großen Kriegen. Europa, die USA und Russland sind zu stark miteinander ökonomisch und politisch verstrickt, dass sich ein (direkter) militärischer Konflikt für niemanden lohnt. Gegen irgendein Regime in Afghanistan: kein Problem. Aber nicht gegen einen Staat, der mindestens bei den G20 ist.
Ein Dritter Weltkrieg kann ausgeschlossen werden (ja, total schade... für die Waffenproduktion), was jedoch wohl auch ein Nachteil für die Ukraine ist. Klingt seltsam und auf den ersten Blick unlogisch, aber bei genauerem Hinsehen merkt man: Was sollte Russland jetzt davon abhalten, einzumarschieren? Öl und Gas hat das Land alleine, Abnehmerländer auch, wodurch Sanktionen wenig helfen, und China deckt bei den meisten Dingen den Rücken... wenn Russland diesen Weg der Selbst-Isolation gehen sollte, dann wird es Europa auf einem schlechten Wege einen, der so nicht vorgesehen war. Es wird ein neuer Eiserner Vorhang entstehen, weiter östlich dieses Mal als der alte. Und der Kalte Krieg beginnt wieder von vorn.
... oder die Menschen fangen wieder damit an, ihr Gehirn zu benutzen, und zu sehen, dass die Menschen gleich, und der Nationalstaatsgedanke irrelevant ist.

Europe unite!
Ein rationalistischer Mensch ist stets für Frieden.
Und wer den Frieden nicht wünscht, ist des Lebens nicht wert.

1 Kommentar:

  1. Nach längerer Zeit der Abwesenheit habe ich mal wieder einen Blick in diesen Blog riskiert und wurde positiv überrascht. Dieser Artikel ist sehr gut recheriert.
    Man kann von dem allen halten was man will, nachträglich bin ich beruhigt, dass sich die internationale Lage etwas entspannt hat.

    Einen Einwurf muss ich leider machen. Das internationale Völkerrecht gibt keine genaue auskunft darüber, wie sich ein Landesteil überhaupt "rechtmäßig" abspalten darf. Es wird dort lediglich toleriert. Und die Verfassung eines Landes (auch der Ukraine) geht davon aus, dass soetwas nicht passiert. Man kann also die gesamte Entwicklung nicht als unrechtmäßig verschreien, wenn es keine rechtmäßige Möglichkeit gibt!

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