„Niemand hat die
Absicht, eine Mauer zu errichten.“ - Walter Ulbricht, SED, Erster
Sekretär des ZK der SED der DDR, Juni 1961, zwei Monate vor Beginn
des Mauerbaus.
„Der Vorwurf, Europa
schottet sich ab, ist falsch.“ - Hans-Peter Friedrich, CSU,
Innenminister der BRD, Oktober 2013, nach Jahren tausender
Flüchtlingstote an den Mauern Europas.
Willkommen, werte
Leserinnen und Leser, zu einer weiteren Geschichte voller politischer
Vorurteile, Lügen und Intrigen. Zumindest eines der beiden
obenstehenden Zitate sollte Ihnen bekannt vorkommen. Das erstere,
nehme ich an. Auch wenn zweiteres aktueller ist.
Eine kleine Insel,
geografisch zwischen Europa und Afrika, im Mittelmeer liegend und
politisch zu Italien gehörend, trägt den Namen Lampedusa und sorgt
für ein paar Wellen in Medienwelt und Politik. Wobei das Mittelmeer
ja keine wahre Mauer im herkömmlichen Sinne bildet, die steht
nämlich an der Ostgrenze Griechenlands, da, wo die Türkei angrenzt.
Diese kostete mehr als 5 Mio. Euro... aber was nimmt man nicht alles
hin, wenn man den eigenen Luxus-Standard wahren möchte. Das
Mittelmeer jedoch ist – im Gegensatz zum hochmodernen Grenzzaun an
der griechisch-türkischen Grenze mit NATO-Stacheldraht – eine
„natürliche“ Mauer. Sie isoliert die Population der Wüstenfüchse
von denen der europäischen Rotfüchse. Allerdings sollte einem
bewusst sein, dass Menschen zum Einen keine Füchse sind – so
typisch verschlagen auch der Eine oder Andere sein mag – sondern an
der Spitze der Nahrungskette stehen und mit Gehirn und Verstand
ausgestattet sind. Normalerweise jedenfalls. Wobei man letzteres wohl
bezweifeln mag, wenn man gewisse Aussagen von Unionspolitikern zu
hören bekommt, welche der Ansicht sind, dass in Europa schon zu viel
Solidarität herrsche. Bernd Riexinger hat mit seiner Aussage,
Innenminister Friedrich versuche, die AfD rechts zu überholen,
durchaus recht.
Gewiss, neben Schweden
nimmt Deutschland die meisten Flüchtlinge auf. Allerdings muss man
auch zugeben, dass Deutschland geringfügig größer ist als die
Niederlande oder Slowenien. Aber abgesehen von der Frage, wer
wieviele Flüchtlinge aufnimmt und wo unterbringt und wer sich das
Ganze leisten könne (wobei insbesondere Letzteres eine wahrhaft
kognitiv beschränkte Frage wäre), sollte man doch der Wurzel der
aktuellen Problematik auf den Grund gehen. Das ist nicht
geschichtlich gemeint, auch wenn es wahr ist, dass die europäischen
Mächte bis heute dafür sorgen, dass die afrikanischen Staaten
wirtschaftlich und machtpolitisch weit unten bleiben. Sklavenhandel,
Glasperlenspielchen für Eingeborene und Annexion von Land... das ist
Vergangenheit. Möge man sich doch für einen Moment auf die
Gegenwart beschränken und sehen, dass ein Mensch in afrikanischen
Staaten häufig chancenlos ist, wenn er den Aufstieg (auf legalem
Wege) wagen möchte. Dass Ansätze zu funktionsfähigen Demokratien da
sind und WIR, Europa, mit unseren Waffenexporten (die sich mit ihren
atemberaubenden Gewinnen natürlich wunderbar legitimieren lassen) an
die falschen Seiten jene Ansätze wieder zerstören.
Europa hat wahrhaftig
genügend Geld – in Relation zum afrikanischen Durchschnitt –
wozu prassen wir, warum ziehen wir Mauern hoch, warum kriegt unsere
verdammte Wohlstandsgesellschaft es nicht hin, effizient anderen
Ländern hochzuhelfen?
Die Antwort lautet: Weil
wir uns in unserem Luxus und Erfolg sonnen. Weil wir es lieben, dass
andere Staaten und deren Bewohner zu uns aufblicken. Weil der
Kapitalismus keine Gleichheit zulässt; irgendjemand muss nunmal den
Sklaven spielen.
Zehntausende Menschen
lassen an den Mauern Europas ihr Leben, täglich sinken weitere
Leichen auf den Grund des Meeres oder werden aus dem trüben Wasser
gefischt und in Lagerhallen gestapelt. Die innerdeutsche Grenze war
ein Klacks dagegen, sowohl in Hinblick auf die Anzahl der Toten als
auch in Bezug auf die Länge der Grenzen und Mauern, des
Kostenaufwandes und des (fehlenden) Widerstandes dagegen.
Das Lösen solch riesiger
Probleme ist nicht leicht; das war es noch nie. Aber zwischen sich
und der Problematik eine Mauer hochzuziehen, das hilft der Welt nicht
weiter. Afrika braucht uns; unsere Hilfsgüter, unser Geld, unsere
Unterstützung, unser Wohlwollen... und NICHT unsere Waffen, unsere
Soldaten, unsere Söldner und unsere Anordnungen.
Vor knapp einem Monat
waren in der BRD wieder Bundestagswahlen. Ihr habt gewählt. Ihr habt
gewählt und ihr habt der Welt gezeigt, dass zum Einen der Großteil
der Bevölkerung immer noch die BILD-Zeitung dem Lesen von
Wahlprogrammen vorzieht und zum Anderen, dass euch der Zustand vom
Rest der Welt nicht interessiert. Dass ihr eure Ruhe wollt, dass ihr
euren Luxus behalten wollt. Stabilität und Wohlstand, glatte Straßen
und Frieden. Mehr braucht man ja nicht... und mehr wollen die
Unionspolitiker aus Kreisen der CDU und CSU auch nicht. Klappe zu,
Affe tot. Mauer her, Regulierung der Finanzmärkte, innereuropäische
Ruhe... um den Rest möge sich auch eben der Rest der Welt kümmern.
Mich hat es beeindruckt,
dass bei der Bundesdelegiertenkonferenz der GRÜNEN Flüchtlinge aus
Lampedusa eingeladen waren und reden konnte. Und die LINKEN machen
sowieso immer deutlich, was sie von der politisch rechten Politik
halten. Wieso nicht auch die Sozialdemokraten? Nein, lieber
Machtpositionen, lieber die Aussicht auf Bundesminister_innen und
Vize-Kanzler.
Deutschland hat
Verantwortung, Europa hat Verantwortung, WIR haben Verantwortung. Aber
das Leben kann ja so viel schöner sein, wenn man genau diese nicht
wahrnimmt.
Ich gebe unserer
Gesellschaft hiermit ein erbärmlich zu nennendes Zeugnis für
menschliches Miteinander und Solidarität. Die Globalisierung soll
auch die Menschen einander näher bringen, nicht nur machtversessene
Konzernleitungen und Volkswirtschaften.
Wo ist euer Wille, die
Welt besser zu hinterlassen, als ihr sie aufgefunden habt?