Sonntag, 22. Dezember 2013

Demokratie - real und radikal

Wozu benötigen wir die Demokratie? Und warum ist sie das schlechteste System, abgesehen von allen anderen Alternativen?

Ein Staat hat immer eine Staatsform, die seine Existenz legitimiert oder zumindest dieses Ziel hat. Der Staat dient den Interessen eines Volkes, einer Elitegruppe oder eines auserwählten Volksgemeinschaft. Und ein Staat versucht immer, diese Interessen durchzusetzen und die eigenen Ideale zu verbreiten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Staatsform eine Monarchie oder Republik, Demokratie oder Diktatur ist.
Die Politik ist nicht von kühlen und durchdachten Überlegungen geprägt, sondern vom instinktiven Verhalten der in ihr handelnden Personen. Wenn ein Staatsoberhaupt eine*n Vertreter*in eines anderen Landes trifft und die Stimmung zwischen diesen zwei Menschen ist perfekt, dann wirkt sich das im hohen Maße auch auf die internationale Beziehung der zwei entsprechenden Staaten aus. Man möge an François Hollande und Angela Merkel denken. Alles andere als ein Traumpaar. Der Sozialist und die Konservative. Und prompt merkt man: die deutsch-französischen Beziehungen waren auch schon einmal besser.

Unser System... die Demokratie. Warum? Weil es dem Zeitgeist entspricht. Das ist sowieso die Legitimation für alles. Waffenexporte? Zeitgeist. Erneuerbare Energien? Zeitgeist. Hipster-Kultur und Massenware? Zeitgeist. Und so lange wir darauf setzen, ein allgemein für alle gültiges System zu haben... ja, so lange wird auch die Demokratie das beste aller Systeme sein. Beziehungsweise wie Winston Churchill es seinerzeit formulierte: „Demokratie ist die schlechteste Regierungsform - außer all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“
Denn Demokratie gibt jedem Bürger und jeder Bürgerin das Recht, mitzubestimmen. Nur ist vielen Menschen die Bedeutung dieser Errungenschaft selten bis nie bewusst. Sie nehmen es hin und ahmen doch ihren Großeltern und Eltern nach, welche auf „die da oben“ schimpfen. Dabei sind sie doch selbst schuld.
Dieses Bewusstsein über die Möglichkeiten eigener Einflussmöglichkeiten in unserer Gesellschaft, das fehlt uns. Vielleicht würde dann so einiges besser – und zumindest anders – laufen als bislang.
Warum haben unsere Ahnen so sehr für ihre Rechte gekämpft? Weil es das wert war. Weil sie die Willkür kannten. Weil der Zeitgeist es verlangte. Die Demokratie muss nicht nur erlangt, sondern auch verteidigt werden. Und da sollte man nicht nach einem Staatsoberhaupt oder dem Verfassungsschutz rufen, sondern den eigenen Teil beisteuern. Nicht für das Land. Nicht für die eigene Ethnie. Nicht zum eigenen Wohl. Sondern zum Erhalt der Demokratie.
Und die Arten der Demokratien sind zahlreich. Viele Nationen dieser Erde haben dabei eine bedeutungslose Monarchin an der Staatsspitze. Oder sie haben eine kaum vorhandene Gewaltenteilung, was nach vielen Definitionen ein System-Wandel ist. Manche haben auch nur den offiziellen Namen einer Demokratie.

Hier in Europa kam mir mal der Gedanke, wie faszinierend anders die politische Landschaft wäre, wenn nur noch jene über Politik entscheiden dürften, die verstehen, was sie tun. Eine Demokratie der Wissenden. Wie undemokratisch! Und doch...
Was wäre, wenn? Keine Millionen und Abermillionen, die auf Wahlplakate hereinfallen und keine Wahlprogramme lesen, sondern nur jene, die zusehen, ob ein Politiker oder eine Politikerin etwas hält, was er oder sie verspricht. Und darauf achten, wie sich die Repräsentant*innen wandeln.
Eine Demokratie der Wissenden. Oder eine Philosophen-Demokratie. So faszinierend... und in meinen Augen doch so erbärmlich. Denn Wissen verhindert nicht Korruption und Ignoranz. So verlockend auch der Gedanke sein mag, als Elite-Bestandteil politisch zu wirken und bei solch einem System die Politikbegeisterung neu anzufachen, so sehr ist doch auch klar, dass unser System der allgemeinen parlamentarischen Demokratie, welches wir heute haben, sich doch gerade daraus legitimiert, dass jede*r mitentscheiden darf. Selbst die dumme Nachbarin mit der klischeehaften Bild-Zeitung in der Hand oder der pöbelnde Neo-Nazi an der Ecke.
Durch jeden Bestandteil erklärt sich unsere Gesellschaft. Ich bin nicht stolz auf mein Land und nicht stolz auf die Taten anderer. Aber ich bin stolz auf ein System, dessen Bestandteil ich bin und zu dessem Erhalt ich beitrage.

„Die Zukunft ist etwas, das die meisten Menschen erst lieben, wenn es Vergangenheit geworden ist.“ - William Somerset Maugham -

Vielleicht sollten wir schon heute beginnen, die Zukunft zu lieben.


 
Pasu Au Yeung- CC BY 2.0


Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.  - Voltaire -