Ein gebildeter Mensch hat ein gewisses Thema, zumindest
in der eigenen Schulkarriere, übertriebenermaßen mindestens tausend
Mal durchgekaut: die Existenz einer totalitären Staatsform, zum
einen am Beispiel des Faschismus in Form des Nationalsozialismus im
Dritten Reich, zum anderen in Form des Realsozialismus anhand des
Stalinismus in der Sowjetunion samt deren Satellitenstaaten. Und
natürlich wird einem aufgrund historischer Erfahrung eingetrichtert,
dass solche Systeme böse waren, dass deren Führer zu verabscheuen
sind und jegliche Handlungen in den damaligen Staaten schlecht waren.
Und ebenfalls lernt man, dass es den Totalitarismus nicht mehr gibt.
... schön zu wissen!
Aber was ist denn Totalitarismus? Laut dem Politiklexikon von Klaus
Schubert und Martina Klein ist der Totalitarismus vereinfacht „das
krasse Gegenteil des modernen freiheitlichen Verfassungsstaates und
des Prinzips einer offenen, pluralen Gesellschaft“. Ein
demokratischer Rechtsstaat lässt also nicht die Existenz des
Totalitarismus zu, so die Logik jener AutorInnen.
Doch was, wenn
unser System totalitär wird? Eine totalitäre Demokratie ist nicht
unlogisch oder paradox, vielleicht ist sie sogar realer, als es viele
für möglich halten. Bei dem Zusammenhang < Totalitarismus –
Faschismus – Nazizeit > denken viele an KZs, Todesstrafen ohne
Verhandlungen und Massenvernichtung jener, die anders denken oder
einfach nicht ins Raster der Ideologie passen. Doch der Faschismus
als Beispiel ist nicht die Definition des Totalitarismus.
Entscheidende Merkmale sind, dass eine wie auch immer aufgebaute
Führung potenziell die Möglichkeit besitzt, in alle Bereiche des
Lebens einzugreifen, alle Einflussmöglichkeiten bei sich zu
konzentrieren und unbeschränkt Sanktionen zu verhängen.
Wenn in
Deutschland jemand mit den Richtlinien des Systems nicht
übereinstimmt und dies in verfassungsfeindlicher Form äußert, muss
er mit Sanktionen rechnen. Die handelnde Person wird für eine andere
Weltanschauung bestraft. Man könnte sagen, dass rein nach der Devise
„Die Freiheit des Einzelindividuums gefährdet die Freiheit der
Masse“ die Mehrheit vor der Minderheit bewahrt wird.
Bei der
totalitären Demokratie ist also kein Terrorregime an der Macht,
welches ohne Skrupel alle Kritiker aus dem Weg räumt. Man könnte
sagen, dass diese Form humaner und eben, wie der Name auch aussagt,
demokratischer ist, doch nichtsdestotrotz bleibt es eine Unterform
des Totalitarismus, ein System, welches den Geist des Menschen
unterwirft und das einzelne, denkende Individuum mit der Masse
verschmelzen lässt.
Doch einfacher
und zweckdienlicher, als eine vollkommene totalitäre Demokratie zu
konstruieren, ist es, jene freiheitliche umzuwandeln in eine
Diktatur, was es glücklicherweise den Demokraten um einiges leichter
macht, das rechtsstaatliche System zu verteidigen und beizubehalten.
Die Frage bei
der Abwehr eines wie auch immer gearteten, vielleicht eben auch
demokratischen Totalitarismus ist, ob man sich auf die antike
Vorstellung der Demokratie zurückbesinnt, oder ob man sich neue
Mittel und Wege sucht, um eine Demokratie zu errichten, die
legitimiert, sicher und andauernd ist.
Es ist möglich,
dass eine Form des Totalitarismus wiederaufersteht, trotz unserer
Bildung über die Unübertroffenheit früherer menschlicher Ignoranz.
Der Mensch wandelt sich langsamer, als es der Wunsch vieler ist, und
doch, auch nach Millennien, wird die Menschheit nicht perfekt,
sondern immer noch anfällig sein.
Doch mögen wir
auch nicht dem Ideal entsprechen, so darf es uns doch nicht daran
hindern, der Versuchung zu widerstehen, bevormundet zu werden.
Mensch,
gebrauche deinen Geist!
Sapere aude!