Sonntag, 27. April 2014

Kill, eat, and die.

Wir wissen Schönheit nicht mehr zu schätzen, weil sie in Massen auftritt.
Tagtäglich werden uns Ideale vorgeführt; Ikonen der Kunst, der Musik, der Literatur. Das Netz verbindet uns alle, und so sehen wir die Spitze aller Schichten Tag für Tag, ohne dass uns in den Sinn kommt, dass wir somit immun gegen die einfache Schönheit werden.
Wir laufen eilig am Straßenkünstler vorbei. Es könnte ein gefeierter Tenor sein. Oder ein erstklassiger Cellist aus der nächsten Philharmonie. Wir würden ihn trotzdem nicht beachten, denn die Masse tut es auch nicht. Wir bezahlen den Eintritt in die Oper und klatschen, weil es alle tun. Wir hören Musik der globalisierten Pop-Kultur, entweder die Charts oder jene Musik, von der wir denken, dass wir zur coolen Hipster-Gesellschaft gehören, wenn man Band-Namen auflisten kann, die keiner kennt.
Wir können uns nicht mehr an der Einfachheit und Schlichtheit erfreuen; wir lassen uns treiben, wie tote Fische im Strom. Wir schießen von uns 50 Bilder im Bad, angeln uns die fünf besten, photoshoppen davon drei und laden dann das beste hoch, zusammen mit der Überschrift „Spontanes Selfie“. Wir schminken uns, setzen virtuelle Masken auf und sagen, wir würden Goethe, Voltaire und Hobbes kennen. ... dabei kennen wir nicht mal uns selbst.
Kennen deine Freunde und Freundinnen dich auch ohne Make-Up? Weißt du, was „direkt und ehrlich“ bedeutet? Kannst du noch Bücher aufschlagen oder sind selbst Wikipedia-Zusammenfassungen für dich zu anstrengend?




net_efekt, CC BY-NC 2.0

Die Menschheit ist nicht dumm geworden. Das war sie schon immer. Nein, aber faul ist sie geworden. Das Leid anderer interessiert uns nicht. Hauptsache, uns geht es gut. Wir sind so naiv zu glauben, dass andere alles richten werden. Wir sagen, jemand wird sich schon darum kümmern, und vergessen, dass wir selbst „jemand“ sind.
Wir kaufen Dinge, die wir nicht brauchen, und andere erst recht nicht. Aber vielleicht verschenken wir trotzdem eben jene Dinge an Menschen. Menschen, die wir möglicherweise nicht mal mögen. Ein neues Auto? Wieso nicht. Ich habe bereits eines, aber das ist älter als das meines Nachbarn. Ein weiteres Handy? Aber gerne. Meins ist doch mindestens 2 Jahre alt, wie kann ich mich nur damit blicken lassen.
Ja, natürlich gibt die Politik kaum andere Leitbilder vor. Wieso auch, wir leben schließlich im Kapitalismus und wir denken, Fortschritt entsteht nur durch Konsum. Kauf, bis du stirbst. Kill, eat, and die. Oh ihr Schafe, braucht ihr denn immer jemanden, der euch etwas vorlebt?

Frank Weber, CC BY 2.0


Das heutige Töten und die moderne Sklaverei macht doch so viel mehr Spaß als vor 200 Jahren, als man den Sklaven und Sklavinnen noch direkt ins Gesicht sehen musste. Für Europäer*innen arbeiten mehr als 20 Menschen pro Person. Und jene modernen Sklav*innen musst du nicht mal sehen, denn sie leben nicht in deinem Haus, nicht in deiner Stadt, wohl nicht mal in deinem Land oder auf deinem Kontinent. Nein, ihre erdrückende Armut und ihr menschenunwürdiger Lebensstil, den Anblick ihrer Augen, welche den Glanz der Hoffnung verloren haben, und die Körper, zerschunden von täglicher, schwerer Routine-Arbeit, all das musst DU nicht mit ansehen, denn wenn du dies hier liest gehörst du mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu den obersten 15% der Menschheit.
Doch der Luxus blendet uns stets. Die obersten 10% wären doch auch toll. Ein Haus mit Swimming-Pool, ein Ferien-Appartment in Bankok oder Rio, eine Goldkette mit Diamanten versehen...
Menschheit, mach die Augen auf, und kümmere dich um die Schwächsten, bevor du deinem Luxus immer wieder aufs Neue höhere Maßstäbe anlegst!


Ira Gelb, CC BY-ND 2.0