Europa wurde angegriffen, und damit auch Europas Werte
der Demokratie und Freiheit, unsere Grundprinzipien der Moderne. Man
mag bezweifeln, dass die „westliche“ Politik der Gegenwart
perfekt ist, und selbst ich bin weit davon entfernt, aber ihre
elementaren Eigenschaften halte ich für einen notwendigen
Bestandteil, wenn wir weiterhin in einer friedlichen, freiheitlichen
und demokratischen Gesellschaft leben wollen.
Ein Feindbild ist schnell errichtet, einen Gegner kann
man finden. Ob es der wahre Feind ist, wird selten angezweifelt. Ja,
natürlich waren die Terroristen, welche am 7. Januar zwölf Redakteure der Zeitschrift Charlie Hebdo umbrachten, Muslime.
Ihr heiliges Buch war der Koran, ihre Gebete galten ihrer Gottheit,
nach Mekka gerichtet. Unschön war nur, dass sie ein paar Verse und
Suren und einen imaginären Freund im Himmel höher schätzten als
die Realität. Bitter für die Hinterbliebenen, dass ihnen
Menschenleben weniger wert war als Schutz einer Religion vor Satire.
Denn nichts anderes tat Charlie Hebdo:
Karikaturen publizieren. Alles und jeder wurde dort seit Jahrzehnten
auf die Schippe genommen; Politiker*innen jedweder Richtung, das
Judentum, die verschiedenen Kirchen, der Islam. In Europa hat sich
eine Gesellschaft der Toleranz etabliert, doch noch immer gibt es –
und das nicht nur hier – vereinzelt Menschen, die sich
offensichtlich ins Mittelalter zurück sehnen. Der Anschlag war
feige, seine Motivation gilt es zu verurteilen, aber die Tat sollte
nicht „gerächt“ oder „gesühnt“ werden. „Auge um Auge,
Zahn um Zahn“; würden wir diesem Grundsatz folgen, wäre die ganze
Welt blind.
Wir sind offen und
tolerant, also lasst uns das auch zeigen. Lasst uns nicht
stigmatisieren und Menschen verurteilen, nur weil sie vielleicht die
gleiche Religion haben wie jene Attentäter. Oder zufällig die
gleiche Hautfarbe oder das gleiche Lieblingsessen. Wir dürfen unsere
Mauern nicht wieder hochfahren oder die Tat zum Anlass nehmen,
bedenkenswerte politische Ansichten durchzusetzen. Die 2006 eingeführte Vorratsdatenspeicherung konnte Frankreich nicht vor
Anschlägen schützen, dennoch wird genau das wieder vermehrt auch
für Deutschland gefordert. Und sogar die Pegida-Bewegung versucht
das Ereignis schamlos für sich auszunutzen; ihre Nazi-Sprüche
reißenden Anführer*innen sind der Ansicht, das linke
Satire-Magazin und unsere demokratischen Grundwerte verteidigen zu
müssen. Was für eine Ironie. Vielleicht hätte der eine oder andere
doch mal die Zeitschrift näher in Augenschein nehmen sollen.
http://bit.ly/1tXDJFz |
Wir
bleiben zurück in Trauer, doch hoffentlich nicht in Angst. Wir
lassen uns nicht unserer Freiheit berauben. Stéphane
Charbonnier, ermordeter Zeichner von Charlie Hebdo,
sagte noch vor gar nicht allzu langer Zeit: „Lieber sterbe ich
aufrecht, als auf Knien zu leben.“
Für
sein Schicksal, seine Werke und Taten so treffend; für uns so
bedeutend.
http://bit.ly/1xRG7Nj |
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